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Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/61

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„Erstaunlich“, sagte der Bariton.

„Schlimm genug“, sagte Nello hinter geschlossenen Zähnen.

„Noch mehr als das,“ setzte der Advokat hinzu, „sie hat vorhergewußt, Cavaliere, daß Sie kommen würden!“

Der alte Sänger machte ein bedenkliches Gesicht. Solche Dinge konnten Unglück bringen.

„Mir ist prophezeit worden, ich werde in einer Stadt von weniger als hunderttausend Einwohnern sterben, umgeben von Geheimnis. Also muß ich vorsichtig sein.“

„Sie sehen aus, als könnten Sie gar nicht sterben“, sagte Gaddi, mit einem Blick auf die geschminkten Wangen des Alten.

„Der Ruhm macht unsterblich“, rief der Advokat und stieß die Turmtür zurück. Sie erstiegen, einer hinter dem anderen, eine schlüpfrige Treppe. Vor einer Tür mit eisernem Beschlag hielt der Advokat inne, streckte einen Arm über die Nachkommenden aus und prägte ihnen die Feierlichkeit der Stunde ein.

„In der Geschichte des Eimers finden Sie, meine Herren, die Sie dem Ruhm dienen, ein großes Vorbild. Um diesen Eimer starben viele Brave. Was ist ein Leben? Der Eimer dauert! Der Ruhm stirbt nicht!“

„Gut! gut!“ sagten alle drei. Der alte Giordano hatte feuchte Augen.

„Aber der Schlüssel fehlt uns noch“, bemerkte der Advokat, und er rief in den Turm hinauf:

„He! Ermenegilda!“

Es hallte leer. Der Advokat erstieg noch drei Stufen, und auf jeder schrie er. Endlich beugte droben sich ein altes, finsteres Gesicht herüber.

„Was wollt Ihr? Der Schlüssel ist nicht da. Für den Eimer gibt es keine Erlaubnis mehr.“

„Was denn? Bist du verrückt geworden, Ermenegilda? Kennst du mich nicht mehr? Ich bin der Advokat Belotti.“

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