Handbuch des Alt-Irischen/I. Teil: Grammatik/Einleitung
Einleitung.
Keltische Sprachen.
1. Das Altirische ist die älteste für uns erreichbare Gestalt eines Gliedes der keltischen Sprachgruppe.
Die keltischen Sprachen gehören zur indogermanischen Sprachfamilie. Sie trennen sich geographisch in zwei größere Abteilungen, Inselkeltisch und Festländisch-Keltisch:
I. Inselkeltisch umfaßt die Sprachen, die auf den großbritannischen Inseln gesprochen werden oder von dort ausgegangen sind. Es zerfällt in
1. Irisch, auch Gälisch oder Goidelisch genannt. Jener Name nach dem Hauptgebiet Irland, dieser davon, daß sich der Eingeborene als Goidel, seine Sprache als goidelg bezeichnete. Der modernen Aussprache des letztern Wortes (neuir. gaedhilge oder gaoidhilge geschrieben) entspricht das englische gaelic, dem unser ‘gälisch’ nachgebildet ist. Im Mittellateinischen sagte man dafür scottice, scotice nach dem Namen Scotti, womit die Römer seit dem 4. Jh. n. Chr. die Stämme Irlands bezeichnen. Im Englischen früher auch erse, eigentlich ‘irisch’.
Landschaftlich scheidet es sich heute in
a) Irisch, auf Irland selber. Man nennt die Sprache der ältesten Denkmäler altirisch, die seit dem 10. Jh. mittelirisch, seit Anfang des 17. Jhs. neuirisch.
b) Gälisch oder Schottisch-Gälisch im Norden der englischen Insel, dem schottischen Hochland, und auf [ 2 ]den westlich vorgelagerten Inseln. Es ist durch irische Eroberer seit Ende des 5. Jhs. n. Chr. importiert worden.
c) Manx oder Manks, die Mundart der Insel Man.
Von b) und c) sind sehr alte Denkmäler nicht vorhanden.
2. 2. Britannisch, genannt nach der römischen Provinz Britannia. Es zerfällt in
a) Kymrisch (englisch Welsh, französ. gallois), die Sprache von Wales, genannt nach der einheimischen Bezeichnung der Bewohner als Cymry (Sprache cymraeg). Man unterscheidet die älteste Periode als altkymrisch von mittelkymrisch (seit dem 12. Jh.) und neukymrisch oder kymrisch schlechthin, der modernen Sprache, etwa seit den ältesten Drucken des 16. Jhs.
b) Kornisch, im Mittelalter Sprache der Halbinsel Cornwall, jetzt ausgestorben.
c) Bretonisch (französ. bas-breton) oder aremorisch, Mundarten der bretonischen Halbinsel Frankreichs, der sog. Basse-Bretagne, die im Altertum Aremorica hieß. Durch britannische Einwanderer seit dem 5. Jh. eingeführt. Altbretonisch heißt die Sprache der alten Glossen und Urkunden, mittelbretonisch die der Literaturdenkmäler seit dem 15. Jh., neubretonisch oder einfach bretonisch die heutigen Dialekte seit Anfang des 19. Jhs.
Die ältesten Denkmäler des Britannischen sind zwar nicht wesentlich jünger, aber lange nicht so reichhaltig wie die des Irischen. Außerdem ist die Sprache grammatikalisch schon weit mehr verändert, auch das Sprachgut durch das Eindringen des Lateinischen viel gemischter, eine Folge der Römerherrschaft in England. Aber gerade die ältesten Denkmäler lassen erkennen, daß das Britannische früher, etwa zu Beginn der Römerherrschaft, dem Irischen außerordentlich gleichartig war. Die große Verschiedenheit der Wortformen, wie sie in der historischen Periode auftritt, beruht, außer auf ein par Lautunterschieden wie britann. p für ir. q, in erster Linie auf der [ 3 ]abweichenden Lage des Hauptakzents. Während er im Irischen immer die erste Silbe des Wortes traf (§ 34), ruhte er im Britannischen vor dem Schwund der Endsilben stets auf der vorletzten. Infolgedessen ist der Vokalismus der alten Mittelsilben im Britannischen oft besser erkennbar als im Irischen.
Britannisch nenne ich in dieser Grammatik Wortformen, die allen britannischen Dialekten zu Grunde liegen; dagegen altbritannisch Namen, die aus der Römerzeit überliefert sind.
3. Vom Piktischen, der einstigen Sprache der Picti im Norden der englischen Insel, besitzen wir außer ein par Eigennamen fast nichts. Sie lassen eben nur erkennen, daß dort gleichfalls eine dem Irischen und Britannischen nahestehende keltische Sprache geherrscht hat.
Sammlung der Reste bei Stokes, Transactions of the Philological Society 1888–1890, p. 390 ff. = Bezzenbergers Beitr. 18, 84 ff. – Über Inschriften aus jenen Gegenden s. Rhys, Proceedings of the Society of Antiquaries of Scotland 26, 263 ff.
3. II. Festländisch-Keltisch, oft kurzweg gallisch genannt, die Sprachen der keltischen Stämme in beiden Gallien, auf der pyrenäischen Halbinsel, im mittleren Europa bis zum schwarzen Meer hin, endlich in Galatien in Kleinasien seit der Ansiedlung der keltischen Galater. Alle schon am Ende des Altertums ausgestorben. Ihre Denkmäler, für die Geschichte des Keltischen von großer Wichtigkeit, sind daher sehr spärlich.
Keltische Inschriften in geringer Zahl sind in Frankreich, ein par auch im nördlichen Italien gefunden worden. Die beste Zusammenstellung (außer den Münzaufschriften) bei
John Rhys, The Celtic inscriptions of France and Italy. Proceedings of the British Academy, Vol. II (1907).
Nach dieser Sammlung zitiere ich gewöhnlich. Dazu die Fragmente eines bei Coligny (Ain) gefundenen Kalenders, hgg. von Dissard, Comptes-Rendus de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 1897–1898, und von Espérandieu, Supplément à la Revue Épigraphique, No. 90.
[ 4 ]Ein par gallische Wörter erklärt ein zuerst von Endlicher veröffentlichtes Glossar aus dem 5. Jahrhundert (beste Ausgabe von Zimmer, KZ. 32, 230 ff.).
Sonst kennen wir außer vereinzelten Zitaten gallischer Wörter, worunter namentlich Pflanzennamen, nur eine große Anzahl von Personen- und Ortsnamen aus den oben genannten Gebieten. Eine alfabetische Sammlung solcher Wörter, die sicher oder möglicherweise keltisch sind, bringt
Holder, Alt-Celtischer Sprachschatz. Bd. I II (A bis T) 1896–1904, Bd. III im Erscheinen (Lieferung 17, 1907).
Nach diesem Werke, dessen Deutungen oft etwas kühn sind, zitiere ich altkeltische Formen, wo nichts anderes bemerkt ist.
Quellen.
4. Unter den Denkmälern des Altirischen kommen für die Grammatik vor allem die in ungefähr gleichzeitigen Handschriften überlieferten in Betracht. Es sind größtenteils Glossen, d. h. irische Erklärungen, mit lateinischen vermischt, die zwischen die Zeilen und an den Rand lateinischer Handschriften geschrieben sind. Die meisten sind auf dem Festland erhalten, wo sie früh nicht mehr verstanden wurden und unbenützt liegen blieben, während im irischen Mutterland die alten Handschriften zerlesen wurden und die Texte daher meist nur in späteren Abschriften auf uns gekommen sind, wobei die Sprache manche Veränderungen erlitten hat.
Die vollständigste Sammlung jener altüberlieferten Denkmäler bieten
Thes. Stokes and Strachan, Thesaurus palaeohibernicus. 2 Bde. 1901–03.
Die Texte sind mit einer englischen Übersetzung versehen; sie sind emendiert, die handschriftliche Lesung in die Noten verwiesen. In der Vorrede sind die früheren Ausgaben aufgeführt. Nach der Zählung dieser Sammlung zitiere ich.
Eine ältere Sammlung ist
Zimmer, Glossae Hibernicae 1881; dazu: Glossarum Hibernicarum supplementum 1886.
[ 5 ]Sie gibt die Texte genau nach der Handschrift, ohne Übersetzung.
5. Die hauptsächlichsten dieser Denkmäler sind die folgenden:
1. Wb. Die Würzburger Glossen zum lateinischen Text der paulinischen Episteln. Der Hauptglossator (Wb) hat die Erklärungen auf fol. 1–32 geschrieben, ein zweiter (Wb II) hat sein Werk auf fol. 33 und 34a in etwas jüngerer Sprache fortgesetzt. Schon vor dem Hauptglossator waren, vielleicht vom Schreiber des lateinischen Textes selber, wenige, meist nur aus einem Wort bestehende Glossen beigeschrieben worden (Wb I). Die Glossen des Hauptglossators zeichnen sich, obschon sie aus einer anderen Handschrift kopiert scheinen, durch außergewöhnliche Korrektheit aus; Fehler sind selten. Über ihr Alter s. § 8.
Erste vollständige Ausgabe von Zimmer, Gloss. Hib. 1 ff., vgl. Supplem. 6 ff.
Dann: Stokes, The Old-Irish glosses at Würzburg and Carlsruhe 1887
und: Thes. I, 499 ff. Vgl. dazu Zimmer, ZfCP. 6, 454 ff.; Stern ebend. 531 ff. (neue Kollazionen).
6. 2. Ml. Die Mailänder Glossen, aus Bobbio stammend; Erklärungen zu der lateinischen Epitome eines Kommentars zu den Psalmen, die wohl von Columban herrührt, das umfangreichste dieser Denkmäler. Außerdem enthält die Handschrift zwei nur noch zum Teil lesbare irische Gedichte (Thes. II 291 f.).
Die Sprache ist jünger als Wb, die Glossen wimmeln leider von Flüchtigkeitsfehlern, so daß auf vereinzelte Schreibungen kein Verlaß ist.
Zur Sprache vgl. Ascoli, Note Irlandesi 1883; Strachan, ZfCP. 4, 48 ff. Erste Ausgabe von
Ascoli, Il Codice Irlandese dell’Ambrosiana. Vol. I, 1878 (= Archivio Glottologico Italiano, Vol. V). Abdruck genau nach der Handschrift.
Dann: Thes. I, 7 ff.
[ 6 ]7. Diese Denkmäler werden durch eine Reihe von kleineren ergänzt; darunter sind namentlich zu nennen:
3. Arm. Das Buch von Armagh in Irland, zum Teil im Jahr 807 geschrieben, jedenfalls vor 846, wo der Schreiber der Handschrift gestorben ist. Von Irischem enthält es:
a) Kurze Glossen zum lateinischen Text der Evangelien und der Apostelgeschichte (Thes. I, 494 ff.).
b) Irische Nachträge zu Tirechans lateinischen Notizen zum Leben des heiligen Patricius (Thes. II, 238 ff., vgl. 364 f.). Sie sind offenbar aus älteren Quellen ausgezogen; daher schwankt die Schreibung zwischen altertümlicher und späterer Gestalt.
4. Sg u. a. Eine Reihe von Handschriften mit Glossen zum Grammatiker Priscianus in Karlsruhe, Leyden, Mailand (Thes. II, 225 ff.), weitaus die reichhaltigste aber in St. Gallen (Sg). Die St. Galler Glossen, die häufig Abkürzungen zeigen, aber lexikalisch sehr wertvoll sind, sind bis auf vereinzelte, später beigefügte, von zwei Schreibern geschrieben, die aber dieselbe Vorlage kopierten. Die Handschrift scheint um 848 aufs Festland gekommen zu sein und war vielleicht 845 geschrieben (s. Traube, O Roma nobilis; Güterbock, KZ 33, 92). Die Glossen waren aus verschiedenen Quellen kompiliert, einzelne finden sich in den anderen Priscianhandschriften wieder; daher neben Sprachformen, die jünger sind als die von Ml, auch manches Altertümliche.
Vgl. Nigra, Reliquie Celtiche 1872; zur Sprache Strachan ZfCP. 4, 470 ff. Erste vollständige Ausgabe von
Ascoli, Il Codice Irlandese dell’Ambrosiana. Vol. II, 1879 (= Archivio Glottologico Italiano, Vol. VI)
mit einer italienischen Übersetzung des Anfangs bis fol. 75a.
Dann: Thes. II, 49 ff.; die Randnoten II, XX f. u. 290.
5. Tur. Turiner Glossen zu zwei Fragmenten eines lateinischen Kommentars zum Markus-Evangelium, etwa aus dem Anfang des 9. Jhs.
[ 7 ]Zuerst herausgegeben von
Nigra, Glossae Hibernicae ueteres codicis Taurinensis 1869 mit ausführlichem Kommentar. Dann mehrfach veröffentlicht, zuletzt
Thes. I, 484 ff.
6. SP. Handschrift (aus Reichenau) zu St. Paul in Kärnten, auf dem Festland von einem Iren nach der Mitte des 9. Jhs. geschrieben. Sie enthält einen Zauberspruch und vier irische Gedichte in ziemlich später Sprachform.
Vgl. Stern, ZfCP. 6, 546 ff. Letzte Ausgabe Thes. II, 293 ff.
Dazu kommen ein par Glossen zu Augustins Soliloquia und zu Bedas Schrift De rerum natura in Karlsruhe (Thes. II, 1 ff., 10 ff.), zu Beda De temporum ratione in Wien (Thes. II, 31 ff.) und einige andere.
8. Aus diesem Material ist unsere Grammatik hauptsächlich aufgebaut. Von Denkmälern, die derselben Periode oder der unmittelbar folgenden angehören, die aber erst in späteren Handschriften überliefert sind, kommen namentlich solche in Betracht, die sicher zu datieren sind und die poetische Form haben, weil Silbenzahl und Reim hier das Alte besser schützen oder leichter wiederherstellen lassen. Hier steht in erster Linie der
Félire (Heiligenkalender) von Oengus (Fél.), eine Aufzählung der Heiligen jedes Tages in Versen mit Epilog und Prolog, gedichtet zwischen 797–808.
Zur Form der Reime s. Strachan, Rev. Celt. 20, 191 ff, 295 ff. Er ist zweimal von Stokes herausgegeben, zuerst in
The Transactions of the Royal Irish Academy, Irish manuscript series, Vol. I 1880.
Dann: The martyrology of Oengus the Culdee (Henry Bradshaw Society, Vol. XXIX) 1905.
Die erste Ausgabe gibt die Lesart der Handschriften, die zweite sucht die Sprache des Originals herzustellen. Beide mit englischer Übersetzung und vollständigem Glossar.
Die Gestalt der Sprache erinnert an die der Mailänder Glossen, die wir also, wenigstens die uns vorliegende Kopie, auch rund um 800 ansetzen dürfen. Ihr [ 8 ]Original wird etwas älter gewesen sein. Die Würzburger Glossen würden dann etwa in die Mitte des 8. Jhs. gehören.
Dagegen der Saltair na Rann (Strophenpsalter), die biblische Geschichte in 150 Gedichten, im Jahr 987 verfaßt, zeigt schon einen ganz anderen Sprachcharakter und wird besser dem Mittelirischen zugerechnet.
Herausgegeben von Stokes in den Anecdota Oxoniensia, Mediaeval and modern series, Vol. I, Part. III (1883). Dazu Strachan, The verbal System of the Saltair na Rann (Transactions of the Philological Society 1895–1898 p. 1 ff.).
Unsere Grammatik behandelt also im wesentlichen die Sprache des achten und der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts.
9. Von den späteren großen Sammelhandschriften, die unter anderem die Texte der irischen Heldensage enthalten, werden namentlich die beiden ältesten in dieser Grammatik öfters zitiert:
LU. Leabhar na h‑Uidhre, ‘das Buch der dunkelgrauen [Kuh]’, rund um 1100 geschrieben, im Faksimile publiziert von der R. Irish Academy 1870.
LL. Leabhar Laighneach, ‘das Buch von Leinster’, großenteils um die Mitte des 12. Jhs. geschrieben. Faksimile der R. Ir. Academy 1880.
Andere sind mit vollem Titel angeführt.
Archaische Denkmäler.
10. Es gibt einige Sprachquellen, die älter sind als die Würzburger Glossen. Sie fließen aber zu spärlich, als daß sie den damaligen grammatischen Bau der Sprache rekonstruieren ließen, und gestatten nur in Einzelheiten die ältere Gestalt zu erkennen. Ich zitiere solche Formen als archaisch (arch.). Es sind
1. Wb I, die erste Hand der Würzburger Glossen, s. § 5 (zusammengestellt bei Zimmer, Gloss. Hib. p. XIII u. Supplem. p. 6; Thes. I, p. XXIV).
[ 9 ]2. Cam. Eine Handschrift zu Cambrai, zwischen 763–790 geschrieben. Einige zwischen lateinische eingestreute irische Sätze einer Homilie, von einem festländischen, des Irischen unkundigen Schreiber mit allen Lesefehlern kopiert, zu denen die irische Schrift Anlaß gibt (Thes. II, 244 ff.).
3. Drei Handschriften zu Paris und Florenz mit ein par irischen Glossen zu Exzerpten aus den Scholien des Philargyrius zu Vergils Bucolica, alle von festländischen Schreibern mit vielen Versehen kopiert (Thes. II, 46ff., 360 ff.).
4. Ein Turiner Blatt (Palimpsest) mit einzelnen Glossen zum zweiten Petrus-Brief (Thes. I, 713 f.).
5. Dazu die irischen Namen in älteren lateinischen Schriften (Thes. II, 259 ff.), namentlich in den Notizen zum Leben des heil. Patricius von Muirchu maccu Machtheni und Tirechan, die im Buch von Armagh (§ 7,3) erhalten sind, ursprünglich am Ende des 7. Jhs. niedergeschrieben; ferner in der Vita Columbae, die Adamnan zwischen 692–697 verfaßt hat, erhalten in einer vor 713 geschriebenen Handschrift.
Diese archaischen Denkmäler gruppieren sich rund um 700 n. Chr.
Über ihre Sprache s. ZfCP. 1, 347 ff.; 3, 1 ff.
Inschriften.
11. Größtenteils älter als die archaischen Denkmäler sind eine Anzahl Grabinschriften in einem besonderen Alfabet, das im Mittelirischen ogom oder ogum, neuir. ogham genannt wird. Sie finden sich, etwa 300 an der Zahl, besonders in der südlichen Hälfte von Irland, vereinzelt auch weiter verbreitet; besonders wichtig sind einige zwanzig, die auf der englischen Insel, namentlich in Wales und angrenzenden Gebieten gefunden sind, wo im 3. Jh. n. Chr. Süd-Iren festen Fuß gefaßt hatten. Denn unter ihnen sind die meisten Bilinguen, indem hier, auf römischem Gebiet, neben die Ogominschrift eine [ 10 ]lateinische gesetzt zu werden pflegte. Einige reichen sicher in die Zeit der Römerherrschaft hinauf (s. Academy 1896, p. 35), werden also etwa dem 4. Jh. angehören. Unter den irischen sind manche jünger, wie der Abfall der Endsilben zeigt.
12. Das Ogom-Alfabet war auch im Mittelalter noch bekannt und wurde gelegentlich zu Randbemerkungen (z. B. in Sg) verwendet. Es besteht in 1–5 Kerben (wenn geschrieben, in kurzen Strichen) auf einer Mittellinie für die fünf lateinischen Vokale und in 1–5 Strichen, die links oder rechts von der Mittellinie stehen oder sie kreuzen, für die Konsonanten. Die Geltung ist nach mittelalterlichen Quellen folgende:
Das Zeichen f bedeutet auf den alten Inschriften noch u̯ oder v; es gibt anlautend und inlautend immer latein. V, nie F wieder. Das Zeichen für h ist bis jetzt erst auf jüngeren Inschriften gelesen, z überhaupt noch nicht sicher belegt.
Dazu kommen später Zusatzzeichen für Diftonge, schon in alter Zeit eines für lat. p, vielleicht noch ein anderes, dessen Wert streitig ist.
13. Die Verwertung dieses an sich für die Sprachgeschichte wichtigen Materials wird aber durch dreierlei Umstände erschwert.
[ 11 ]1. Als Mittellinie wurde bei den Grabinschriften in der Regel eine Kante des Grabpfeilers benützt, also der Teil, der der Verwitterung am meisten ausgesetzt ist. So ist die Lesung, namentlich der Vokale, meist sehr unsicher, und es ist eine große Seltenheit, daß zwei von einander unabhängige Kopisten übereinstimmen.
2. Ein so praktisches Hilfsmittel ohne Zweifel der Erfinder des Ogom für des Schreibens ungewohnte Hände zu bieten dachte, so schwer war es tatsächlich zu handhaben. Denn jede Verzählung, jeder Strich zu wenig oder zu viel, jede Verwechslung von rechts und links ergibt sofort einen anderen Buchstaben. So wimmeln die Ogom-Notizen in den Handschriften von Verschreibungen. Und waren sie hier leicht nachträglich zu korrigieren, so war dies auf den Steinen nicht so einfach, und namentlich ist es nach Jahrhunderten schwer zu erkennen.
3. Die Korrektur ist für uns um so schwieriger, als es sich fast ausschließlich um Namen handelt. Denn die gewöhnliche Fassung besteht im Namen des Begrabenen und seines Vaters im Genitiv, verbunden durch maqqi, maqi ‘des Sohns’ (gelegentlich avi, avvi ‘des Großsohns’), z. B. Dalagni maqi Dali. In jüngeren irischen Inschriften steht manchmal davor anm, gleich späterem ainm ‘Name’. Es fehlt aber einstweilen noch eine Sammlung des irischen Namenmaterials, das die späteren Handschriften in großer Fülle bieten, und damit die Grundlage für Ogom-Lesungen. Auch haben sich die Sammler meist nicht genügend mit der altirischen Sprachgeschichte vertraut gemacht, um über Mögliches und Unmögliches sicher urteilen zu können.
Aus diesen Gründen ist in unserer Grammatik diese Quelle wenig benutzt. Doch ist nicht zu zweifeln, daß sie sich einmal noch ergiebig erweisen wird, namentlich für die Frage nach der Zeit der Umfärbung der Vokale (§ 69 ff.) und des sukzessiven Vokalschwunds (§ 87 f., § 102).
14. Eine vollständige Zusammenstellung des zu seiner Zeit bekannten Materials gibt
Brash, The Ogam inscribed monuments of the Gaedhil, 1879.
[ 12 ]Eine neue Sammlung hat begonnen
Macalister, Studies in Irish epigraphy, Part I–III, 1897–1907 (bis jetzt über 248 Inschriften).
Die Inschriften von Wales usw. sind immer noch am besten zusammengestellt bei John Rhys, Lectures on Welsh Philology, 2d ed. (1879), p. 272 ff.
15. Irische Inschriften im römischen Alfabet sind im Ganzen später. Doch reichen einige christliche Grabinschriften in frühe Zeit zurück.
Sie sind gesammelt von
Petrie, Christian Inscriptions in the Irish Language, edited by M. Stokes. 2 Bde. 1872–1878.
Auch Thes. II 286 ff.
Dialekte.
16. Die sprachlichen Unterschiede der altirischen Denkmäler sind fast alle rein zeitliche, in der Weiterentwicklung der Sprache begründete. Gleichzeitige Abweichungen, die also dialektische Besonderheiten erschließen ließen, treten kaum zutage. Vgl. etwa den Superlativ auf ‑imem (§ 372), der auf die Mailänder Glossen beschränkt ist, oder die Verteilung der Formen der Präposizion air- er- ir- aur- (§ 817), die jedoch keineswegs streng durchgeführt ist. Es beruht das wohl nicht nur auf der Spärlichkeit der Quellen, sondern namentlich darauf, daß in der literarischen Sprache eine Ausgleichung und Mischung der Mundarten stattfand. Dazu haben gewiß schon in alter Zeit die von Ort zu Ort ziehenden Dichter, Sänger und Erzähler beigetragen, die überall verstanden sein wollten. Auch in den seit dem 6. Jh. aufblühenden Klöstern, auf deren Insassen unsere Denkmäler zurückgehen, stammten die Studienmeister aus verschiedenen Gegenden Irlands.
[ 13 ]Wichtigere Hilfsmittel.
I. Grammatiken.
17. 1. John O’Donovan, A grammar of the Irish language, 1845.
Eine neuirische Grammatik mit Rückblicken auf ältere Sprachdenkmäler.
2. Joh. Casp. Zeuss, Grammatica Celtica, 1853.
Das grundlegende Werk, in dem zuerst die älteste erreichbare Gestalt aller keltischen Sprachen wissenschaftlich dargestellt wurde. Durchgehend verbessert und ergänzt in der
Editio altera, curavit H. Ebel, 1871.
Noch jetzt die reichste Materialsammlung. Dazu:
Güterbock u. Thurneysen, Indices glossarum et uocabulorum Hibernicorum quae in Grammaticae Celticae editione altera explanantur, 1881.
Im zweiten Teil Verzeichnis der in den irischen Teilen der Gr. C. erklärten Wörter. Ergänzt durch
Hogan, R. Irish Academy. Todd Lecture Series, Vol. IV (1892), 267 ff.
Irische Wörter, die in den andern Teilen der Gr. C. erwähnt oder in den irischen Teilen nur nebenbei zitiert werden.
Tourneur, Indices omnium vocabulorum linguae priscae Gallicae et vetustae Britannicae quae in Grammaticae Celticae editione altera explanantur (Archiv f. Celt. Lexicographie III, 109 ff.).
3. Windisch, Kurzgefaßte irische Grammatik mit Lesestücken, 1879.
Praktische Einführung in die altirische Grammatik, ohne Scheidung der erst in späteren Handschriften auftauchenden Formen.
4. Strachan, Selections from the Old Irish glosses with notes and vocabulary, 1904.
Sätze aus den Glossen, nach den Verbalformen geordnet, sehr praktisch zur Erlernung der altirischen Konjugazion.
5. Strachan, Old Irish paradigms, 1905.
Streng altirische Paradigmen der Nominal- und Verbalflexion.
[ 14 ]6. Vendryes, Grammaire du Vieil-Irlandais (Phonétique – Morphologie – Syntaxe), 1908.
Vollständige altirische Grammatik.
II. Wörterbücher.
18. 1. Ein vollständiges Verzeichnis der in den oben genannten altirischen Denkmälern vorkommenden Wörter mit sämtlichen Belegen unternahm
Ascoli, Glossario dell’ antico Irlandese.
Das Werk, 1907 abgeschlossen, ist unvollendet geblieben. Es ist nach Wurzeln angeordnet und enthält die Anlautsbuchstaben a e i o u l r s f n m g ganz, von c nur ein par Artikel.
Zur Kenntnis des älteren irischen Wortschatzes dienen – außer Spezialglossarien zu kleineren Textausgaben – vornehmlich noch:
2. IT. Windisch, Irische Texte mit Wörterbuch, 1880.
Das Wörterbuch bringt außer den vollständigen Belegen der Wörter der dort veröffentlichten Texte eine reiche Auswahl aus dem älteren irischen Sprachgut. Vgl. die Kritik von Zimmer, Keltische Studien I (1881).
Ferner Windischs Wörterverzeichnis in
Irische Texte, hgg. v. Stokes und Windisch, 3. Serie, 2. Heft (1897), p. 565 ff.
und in
Die altirische Heldensage Táin Bó Cúalnge, hgg. v. Windisch, 1905.
3. Atkinson, The passions and the homilies from Leabhar Breac: Text, translation a. glossary 1887 (R. Irish Academy. Todd Lecture Series, Vol. II)
und: Ancient Laws of Ireland, Vol. VI (1901): Glossary to Volumes I—V.
Vollständige Wörterbücher zu den im Titel genannten Texten. Dazu Stokes, Transactions of the Philological Society 1888–1890 p. 203 ff., und A Criticism to Dr. Atkinson’s Glossary to Vol. I–V of the Ancient Laws of Ireland, 1903.
4. Kuno Meyer, Contributions to Irish Lexicography (A–DNO), erschienen im Archiv für Celtische Lexicographie I–III (1900–07); A–C auch selbständig als: Vol. I, Part. I (1906).
[ 15 ]Reiche Ergänzungen zu Windisch und Atkinson. Sie werden so nicht fortgesetzt, sondern verschmolzen mit einem großen irischen Wörterbuch, das die K. Irische Akademie herausgeben will.
5. Für das heutige Irisch sei genannt
Dinneen, Foclóir Gaedhilge agus Béarla. An Irish-English Dictionary, 1904.
III. Etymologisches.
19. Erste wissenschaftliche Versuche einer etymologischen Behandlung keltischer Sprachen stellen dar:
Stokes, Urkeltischer Sprachschatz, übersetzt, überarbeitet u. hgg. von Bezzenberger, 1894 (= Fick, Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen, 4. Aufl., 2. Teil).
Macbain, An etymological dictionary of the Gaelic language, 1896.
Vgl. dazu K. Meyer, ZfCP. 1, 357 ff.
V. Henry, Lexique étymologique des termes les plus usuels du breton moderne, 1900 (Bibliothèque bretonne armoricaine, Fasc. III).
Über das Verhältnis der irischen Laute und Wortformen zu denen der anderen indogermanischen Sprachen handelt eingehend
Brugmann, Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. 2 Bde. u. Indices 1886–93; 2. Aufl. Bd. I u. II, 1, 1897–1906.
IV. Hauptsächliche Zeitschriften.
20. Rev. Celt. Revue Celtique, seit 1870, jetzt hgg. von d’Arbois de Jubainville.
ZfCP. Zeitschrift für celtische Philologie, hgg. von K. Meyer u. Stern, seit 1897.
Ériu, The Journal of the School of Irish Learning, Dublin, hgg. von K. Meyer (u. Strachan), seit 1904.