Sie gedachte und rang dabei die Hände, der Zeit, da sie den kleinen Vogel fand und zu sich nahm, und der Zärtlichkeit, die sie auf dies rührende, jetzt so kalte Gefieder gehäuft hatte: all das Gefühl, dessen sie nur die luftigeren, gütigeren, reineren Geschöpfe höherer Sterne wert gehalten hatte. Wie hatte es geschehen können, daß ihr diese große Liebe nach und nach ganz aus dem Sinn gekommen war: so sehr, daß dies arme Tier sie langweilte und sie’s verhungern ließ? Wir waren also unseres Herzens nicht sicher? Wie schrecklich! „Nur aus Eigennutz liebte ich ihn. Ich hätte ihn in seinem Walde lassen sollen. Aber auch er hatte mich lieb: lieber als ich ihn. Er pfiff, wenn ich ins Zimmer trat, und sobald ich die Lippen hinhielt, legte er den Schnabel dazwischen. Gestern Abend hat er noch gesungen: vielleicht um mir zu sagen, er sei mir nicht böse.“
Und unter dem Bewußtsein versäumter Liebe brach sie in die Knie und schluchzte: „Pai ist tot!“ Alles was sie bis dahin gedacht hatte, war nur wie das Keuchen, bevor die schweren Tränen kommen. Jetzt erst wußte Lola: „Pai ist tot;“ und von allen Seiten fiel’s über sie her: „Du hast ihn nicht lieb gehabt. Du bist ihm böse gewesen, hast ihn nicht verstanden. Er wollte dein Bestes und hat nur dafür gearbeitet. Lies seine Briefe!“
Sie las den letzten und erkannte plötzlich, welche wichtige Sache es für ihn gewesen war, sie wiederzusehen. Die Zeilen zitterten auf einmal von Sehnsucht und Ungeduld: „Daß ich das nicht gemerkt habe!