„Steht deine Liebe und du hörst sie weinen,“ sagte er. „Die Liebe, als ein Abstraktum möchte nun zwar nicht weinen können. Da Sie indessen ,die Liebe‘ als eine Personifikation Ihres Seelenzustandes angesehen wissen wollen, und nunmehr dies poetische Wesen aus Ihnen heraustritt, um an dem Ufer eines von Ihnen angenommenen Sees zu weinen, so mag’s denn sein. Hinzufügen aber muß der Lehrer, daß besagter Seelenzustand einem Sekundaner und noch dazu einem solchen mit ungewisser Aussicht das Ziel der Klasse zu erreichen, keineswegs wohl ansteht.“
Lohmann, erschreckt und erbittert, weil Unrat ein Stück von seiner Seele zwischen seinen dürren Fingern umwendete:
„Das alles ist poetische Lizenz, Herr Professor, von Anfang bis zu Ende. Ein ganz frivoles Machwerk, l’art pour l’art, wenn Sie den Ausdruck kennen. Hat mit Seele absolut nichts zu tun.“
„Drum denn — mag’s denn sein,“ wiederholte Unrat.
„Das Verdienst an der gemütvollen Wirkung des Liedes gebührt mithin — traun fürwahr — der vortragenden Künstlerin ganz allein.“
Die Nennung der Künstlerin Fröhlich bewirkte in ihm einen Stolz, den er zurückdrängte, indem er den Atem anhielt. Er lenkte gleich wieder von ihr ab. Er warf Lohmann seine romantische Dichtungsart vor und verlangte eifrigeres Studium des Homer von ihm. Lohmann behauptete, die wenigen, wirklich poetischen