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Page:H.M. Die kleine Stadt.djvu/387

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ster schien und tiefe Rechte an ihn hatte. Ihn schauderte, er sagte rasch:

„Nein! Sie haben keine Schuld. Was wissen sie? Einer nur war wissend genug, um zu sündigen.“

Er atmete, ohne es zu wollen, tief auf zwischen den Worten. In seiner Brust quoll es, als sollte sie springen.

„Denn einer nur liebte nicht die Menschen, liebte Gott im Geist, und das heißt, daß er den Geist zu seinem Gott machte, und durch den Geist, seinen Gott, stolz und einsam ward. Seine Strafe aber war, daß noch immer eins ihn an die Menschen band: das Niedrigste. Er hatte die Liebe verleugnet, da mußte er die Brunst leiden; mußte sich hassen, der vom Geist abgefallen war, und die Welt, die ihn verführt hatte; mußte auf sie und auf sich das Feuer herabrufen; mußte mit eigener Hand es entzünden…“

„Don Taddeo, man versteht ihn nicht, er muß sich sehr schlecht fühlen“, — und Frau Salvatori beugte sich aus ihrer Bank zu Mama Paradisi hinüber. „Es ist kein Wunder, nachdem er sich für die Komödiantin geopfert hat.“

„Man sagt, daß er vom Altar aus predigt, weil er voll Brandwunden ist und nicht die Kraft hat, auf die Kanzel zu steigen.“

„Und dennoch will er die Komödianten, noch bevor sie fortziehen, zu Christen machen. Denn er spricht nur noch zu der Primadonna, — als habe er uns alle vergessen.“

Die Blicke der Frauen hefteten sich, ergriffen, an den großen goldenen Haarknoten dort vorn, unter dem weißen, verbogenen Filzhut.

„Er spricht zu ihr! Wie er zu ihr spricht! Er hat die Tropfen auf der Stirn. Sie muß eine Frau von großem Verdienst sein. Ich werde niemals wieder glauben, daß eine Komödiantin keine anständige Frau sei. Welch Heiliger, Don Taddeo! Er lehrt uns die Menschen kennen und gerecht sein gegen

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