Haus Heßling und alle guten Häuser, die ihm nahestanden, eine Atmosphäre der krassesten Obszönität geschaffen. Wochenlang wagte Guste sich nicht hinaus. Ihr und Diederichs Argwohn warf sich entsetzensvoll von dem auf jenen. In ganz Netzig traute keiner mehr dem Vertrautesten. Der Tag kam und die Frühstücksstunde, da im Schoß der Familie Heßling der Verdacht die letzten Grenzen verletzte. Ein Dokument, unbeirrbar wie noch keins, zitterte in Gustes Hand; es hielt Augenblicke fest, die in ihrer Eigentümlichkeit nur ihr und ihrem Gatten, tief verschwiegen, bewußt waren. Kein Dritter ahnte dies, sonst hörte alles auf. Dann aber? … Guste sandte über den Kaffeetisch einen prüfenden Blick zu Diederich: in seiner Hand zitterte das gleiche Papier, und auch sein Blick prüfte. Schnell schlugen beide, schreckengepackt, die Augen nieder.
Der Verräter war überall. Wo niemand sonst war, da war er ein zweites Ich. Durch ihn ward in nie geahnter Weise alle bürgerliche Ehrbarkeit in Frage gestellt. Dank seiner Tätigkeit wäre in Netzig jedes moralische Selbstgefühl und alle gegenseitige Achtung zum Untergang verurteilt gewesen, hätte man nicht, wie auf allseitige Verabredung, Gegenmaßregeln getroffen, die sie wiederherstellten. Die tausendfältigen Ängste, unterirdisch fortarbeitend nach einem Ausweg, liefen zusammen von allen Seiten, schufen mit der Kraft der vereinigten Angst den Kanal, der ans Licht führte, und konnten endlich ihre dunkeln Fluten ergießen über einen Mann. Gottlieb Hornung wußte nicht, wie ihm geschah. Unter vier Augen mit Diederich hatte er nach seiner Weise groß getan und sich gewisser Briefe gerühmt, die er geschrieben haben wollte. Auf Diederichs strenge Vorhaltungen bemerkte er nur, solche Briefe schriebe doch jetzt jeder, es sei Mode,