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Hanne un Fieken

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Hanne un Fieken.
Author: Fritz Reuter
Text type: Gedicht
Comment:

from: Polterabend-Gedichte

1855

:

(Als Gärtnerinnen oder Vierländerinnen.)

Hanne (mit einem Kohlkopf im Korbe):
Na? Hest all Geld innahmen?

Fieken (mit einem Kürbis):
Ih, Gott bewohr! Kein Minsch will köpen.
Ick bün tau den'n un jenen kamen,
Un keine will mien Körbsen köpen.

Hanne:
So geiht't mi akkerinnenrat;
Mien Kohlköpp drag ick bloß tum Staat.
Sei hebb'n dat Lief vull Cholera,
Den Kopp so vull von Poletik,
Dat ick nah'n Handel nicks frag nah.
Ick gah nah Huus; kumm mit mi, Fiek!

Fieken:
Dei Cholera, dei scheert mi nich,
Dei Poletik stickt vähl mihr an;
Un dat is würklich fürchterlich!
Wat seggst von mi? Ick hew mit hött
Un müßt tauletzt doch ok mi 'ran.
Doa stah ick letzt in mienen Gohren,
Dei rechte Hand an dienen stött,
Un dauh doa miene Körbsen wohren.
As ick dei Dinge ranken segg,
Wo sei sich breirtern alleweeg,
Dunn kehm't mi plötzlich in den Sinn:
Dat möten Bürokraten sin!
Lütt is ehr Anfang, ganz bescheiren,
As so'n Kamehl von'n Registrater
Un so'n lütt Diert von'n Auskultater;
Denn äwer fang'n sei an sich uttaubreiren;
Sei bücken sich, sei drücken sich,
Sei schlingen sich, sei winnen sich;
Dat schlüpt un krüpt,
Dat jankt un rankt,
Dat reckt un streckt
Sich ümme furt,
Bet dat tauletzt den ganzen Urt
Mit siene Ranken äwerückt
Un all dei Planten unnedrückt.
Un wenn dei Blaumen sei veloren,
Denn waren sei tau Assessoren.
Ierst sünd sei gräun, verfluchten gräun,
Denn nahsten farben sei sich golden,
Dat heit bi ehr denn »gut besolden«,
Un duurt nich lang', denn kannst du seihn,
Wo sich dei lütten Bürokraten
Vepuppen in grote Aristokraten.
Denn is mit ehr nich mihr tau spaßen,
Denn fang'n sei an sich uptaublasen,
Sei waren dick un ümme dicke
Un waren utveschamte Stücke
Un drängen allens ut en Weg'.
Un wenn dat dicht vör'n Platzen steiht
In seiner Aewernäsigkeit,
Denn so ein großes dickes Beist
Zuletzten noch »Minister« heißt.

Hanne:
Wat sall ick von dien Körbsen hüren!
Du hest woll recht! Ick will dat nich bestrieren,
Wenn du seggst, sei sünd Bürokraten.
Doch miene Kohlköpp dauhn ok wat bedühren:
Dat sünd dei richt'gen Demokraten.
So'n Feld vull Kohlköpp kiek di an,
Wo sei sich drängen Mann an Mann,
So kruus un bunt, so breit un patzig,
So upsternatsch, so äwemastig,
Denn fohrt di't siche dörch den Sinn:
Dat möt 'ne Volksversammlung sin.
Dei ein is bruun, dei anne blaag,
As wier all follen männig Schlag,
Dei weck, dei laaten rot, as wieren s' bläurig,
Un alltausam sünd äwemäurig;
En fienen, blaagen Stoff liggt up dei Bläre,
As wier von ehr benebelt jere.
Doa steiht en Dickkopp, wichtig un breitspurig;
Doa steiht en Spitzkopp, witzig un schluusuhrig;
Dei weck, dei sünd man bulsterig,
Un weck sünd ok man schludderig.
Drüm sühst du 'n grotes Kohlkoppfeld,
So paßt di allens liekster Welt
In Hauptsaak un in Nebensaaken
Up 'ne Versammlung grar von Demokraten;
Denn doa is't ümme ok so west:
Dei dickste Kopp, dat is dei best.

Fieken:
Nu wes' man still mit diene Witzen!
Wat sall di ok dat Schnacken nützen,
Wenn s' di mit dienen Demokraten,
Ahn em tau köpen, sitten laaten?
Denn dat is doch woll ganz bestimmt,
Dat keine Minschenseel em nimmt.
Beir du em ut as suures Bier,
Dei Demokraten gell'n nicks mihr.

Hanne:
Un diene Körbs, so vähl ick rehren kann,
Bringst du woll ok nich an den Mann.
Sei is tau nicks as Grütt tau bruuken,
Un wer mag Grütt von Bürokraten schluuken?
Ehr Grütt un Weisheit hüret tau dei schlimmen,
Un wer tau vähl von ett, dei kriegt dat Grimmen.

Fieken:
Wat säl'n w' uns denn mit rümme drägen
Un uns tau'n Nahrn noch länge maaken!
Hebb'n wi s' bet jetzt veköfft nich kreegen,
Denn bliew' w' ok sitten mit uns' Saaken.
Denn kumm! Denn will w' uns nich bedenken,
Denn will wi s' leiwe man veschenken.
(Gibt den Kürbis an den Bräutigam.)

Nimm dei Körbs taum Oogenspeigel,
Nimm sei tau dien Oogenmark!
Lütt is ehr Beginn un Anfang,
Un ehr En'n is vull un stark.

Jere Huus, dat Glück sall führen,
Fängt mit Kleinen sorgsam an,
Aewe in dei spärern Tieren
Dehnt un breirt sick ut dei Mann.

Morgen früh gah nah den Goahren,
Seih di mal dei Körbsen an,
Un du wast gewiß gewoahren:
Frucht un Blaum un Blatt is dran.

Nich bloß Blaumen, nich bloß Bläre,
Nich bloß Frücht' un luute Frücht',
Nee! – Sei sitten wesselnd jere
An dei Ranken vull und dicht.

Frucht bringt Arbeit, Frucht bringt Wagen;
Blaumen, sei bedüren Freud',
Gräune Bläre Wollbehagen,
Un dei Rank is Hüüslichkeit.

Dei holl wiß nah allen Kräften,
Dei holl wiß, süs büst veweiht,
As tau Freud', so tau Geschäften
Gift di Lust dei Hüüslichkeit.

Tied hest hatt, di uttaurasen;
Schwietisieren is nu ut.
Häur di ok, di uptaublasen,
Häur di vör den Aewemut.

Wohlstand is en Schatz up Ieren;
Aeweriek maakt grotes Muhl.
Süh, dei Körbs kann di beliehren:
Aeweriep, denn wad sei fuhl.

Ach, wo würr ick mi doch schämen,
Wo mi dat tau Herzen nehmen,
Wo würr'ck weinen, wo würr'ck huhlen,
Wenn dat heit von jeremann;
Kiekt den rieken, kiekt den fuhlen,
Kiekt den rieken N. N. an.

Hanne
(mit dem Kohlkopfe, dessen Blätter sie beim
zweiten Verse eins nach dem andern abschält,
bis die Herzpolle übrigbleibt, die sie am Schluß
des Gedichts der Braut überreicht):
Mit einen Kohlkopp kam ick angedragen,
Ein wunderlich, ein appeldwatsch Geschenk.
»Wat sall ick mit den Kopp?« so kannst du fragen,
Ick antwurt di: »Mien leiwes Kind, bedenk,
Dat jere Pott in desen wunderlichen Dagen
Ok find't sien passend wunderliches Henk
Un dat up Stunns dei Köpp sünd von Bedüren,
Un wenn dat ok man gräune Kohlköpp wieren.

Kiek desen an! Kiek, wo de gräunen Bläre
Sich falten un sich äwernanne reihn,
Wo sei den Schutz vör Regen, Wind un Weere
Sich eins dat anne laaten angedeihn;
Un ümme bet nah binnen wad ein jere
Stets reinliche un zorte antauseihn,
Bet sei tauletzt dei Hartpoll dicht ümgeben,
Dat allerbindelste un deipste Leben.

So sall dei Huusfru sin tau allen Tieren,
Ehr Dugend un ehr Schönheit wes' vesteckt,
Sei sall sei nich dei Welt vör Oogen führen,
Dörch ann're Dugend wes' sei hübsch vedeckt:
Bescheidenheit un Demut sall sei zieren,
Dei Leiw un Achtung ehr bi jeren weckt,
Un in dat bindelst Hart sall sei veschluten
Den reinen Fruugenssinn, den stillen, truuten.

Veracht nich mien Geschenk, wiel dat nich zierlich,
Nimm an sien Utseihn di kein Argenis:
Wo männigein is buten unmanierlich,
Von den'n sien Hart doch rein un kräftig is.
Vielleicht schient ok mien Rat di ungebührlich,
Doch is hei gaut un wollgemeint gewiß:
Kiek up dei Butenbläre ok bi keinen,
Kiek up dei Hartpoll stets von jereeinen!

Fieken:
Geliebter Vetter, liebliche Cousine!
Ich wollt, mein Kürbis würd' zur Apfelsine
Un jener Kohlkopf würd' zur Ananas
Und unser Stoppelfeld beschiene
Ein goldner Himmel, der uns was
Von Tempes Tal und Attika erzählte
Und Pommern so mit Griechenland vermählte.
Ich wollt', Armidens Gärten lachten
Euch stets mit Blum' und Frucht entgegen,
Ich wollt', daß sie euch trunken machten
Und trieben euer Herz zu raschern Schlägen;
Ich wollte, daß ihr schwämmt im Licht der Sonne,
So ungestört in einem Meer voll Wonne,
Ihr Lieben beide, du mit deiner Puppe,
Wie zwo Fettaugen auf des Bettlers Suppe.
Doch da in diesem Jammertal hienieden
Ein solches Los noch keinem ist beschieden
Und trübe Tage sich an heitre reihn,
So möcht' es wohl nicht überflüssig sein,
Euch einen Regenschirm für trübe Tag' zu leihn.
Ein solcher Regenschirm ist dieser gute Rat:
»Bewahret euer Haus vor Politik.«
Bedenk, er wäre Autokrat,
Un du, du wärst für Republik,
Wenn sie sich um den Fall von Kossuth härmte
Und er für Schwager Niklas schwärmte
Und für den Metternich daneben
Und wenn aus seinem Mund das Preußenlied erklänge,
Sie »Schleswig-Holstein meerumschlungen« sänge,
Was würd' das für ein'n Eh'stand geben! –
Und wenn trotz meines guten Rats
Euch doch einmal ein tücht'ger Platz-
Regen auseinander hat getrieben
Und an der Wimper Tropfen hängen blieben,
Wenn statt des frühern »meerumschlungen«
Die Leut' »nicht mehr umschlungen« sungen,
Dann geht in eure einsam stille Kammer
Und trocknet dort den Eh'standsjammer
Und denkt, daß euren Eh'standsbanden
Es geht wie unsern deutschen Landen,
Die auch nur haben ihre Kammern,
Um ihre Torheit zu bejammern
Und mit Verfassungsoktroyierungen
Als Schnupftuch ihre Tränen abzuwischen,
Gereicht von den Regierungen,
Gewoben an Ministertischen.
Bedenkt, daß frei ihr nicht mehr wählen könnt,
Daß ein Assoziationsgesetz euch oktroyiert
Und das Pantoffelregiment,
Wo einer unumschränkt regiert,
Zur Rebellion hinüberführt.
Vereinbart euch, so gut ihr könnt –
Und denkt an euren Bundestag
Und an sein sanftes, sel'ges End,
Wo eins dem andern fest versprach:
Nie sollt sein Lieben je erkalten! –
Und sein Versprechen soll man halten.

Hanne:
Sucht nicht den Himmel über euch,
Sucht ihn in eigner Brust,
Sucht ihn nicht überm Sternenreich;
Ihr findet seine Lust,
Ihr findet seine Seligkeit
Auch auf dem Erdenrund;
Auch hier in der Vergänglichkeit
Sind seine Wunder kund.

Tritt an den Baum voll Blütenpracht,
Tritt in des Waldes Grün,
Schau auf in stiller Sternennacht,
Sieh, wie die Wolken zieh'n;
Auch Wolkenzug und Waldeslust
Dich ziehet himmelwärts,
Und stiller wird's in deiner Brust,
Und heilig wird dein Herz.

Tritt an den Bach, tritt an den See,
Er rauscht dein Herz in Ruh;
Blick auf zu jener lichten Höh',
Der Himmel lacht dir zu.
Dein Auge schaut verzaubert drein,
Das Ohr lauscht süßem Klang,
Es singt Natur so voll und rein
Den starken Zaubersang.

Wohl mancher geht an Wald und Flur
So stumpf und dumpf vorbei,
Es rührt ihn nichts, er fraget nur,
Was das für Klingen sei.
Doch der, dem's Herz vor Freuden schlägt,
Dem's ist vor Leiden bang,
Der in der Seele Liebe pflegt,
Der horchet auf den Sang.

Der süße Sang umkreiset ihn
Und schlingt um ihn sein Band,
Er ziehet ihn, er reißet ihn
Fort in sein Zauberland.
Dort ist kein Kummer, der ihn weckt,
Die Klage, sie ist stumm;
Dort ruht er ringsum zugedeckt
Mit Blumen um und um.

Sucht nicht den Himmel über euch,
Sucht ihn in eigner Brust,
Sucht ihn nicht überm Sternenreich;
Ihr findet seine Lust,
Ihr findet seine Seligkeit,
Und, wenn euch sonst nichts blieb,
Ihr find't sein tiefes, sel'ges Leid
Im Herzen voller Lieb'.