Ein Kutscher und ein Stubenmädchen
Ein Kutscher und ein Stubenmädchen. | |
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Author: | Fritz Reuter |
Text type: | Gedicht |
Comment: |
from: Polterabend-Gedichte
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Christian (allein):
Wo dit woll wad? Wo dit sich woll regiert?
Ick hew mien Dings all säbenmal probiert,
Ick segg't bald sacht un segg't bald luut
Un krieg't nich 'rut un krieg't nich 'rut.
Marie! – Wo bliewt sei denn, wo täuwt sei nah?
Ick liehr mi, wo ick stah un gah;
Bald bün'ck in Angst, bald bün'ck in Wut,
Un krieg't nich 'rut un krieg't nich 'rut.
Marieken! – Wo sei woll nah täuwt?
Ob sei sich ok ehr Stück inäuwt?
Dei Brüjam is all doa, doa is dei Bruut,
Ick liehr un liehr un fohr fast ut dei Huut,
Un krieg't nich 'rut und krieg't nich 'rut.
Marieken! – Mariekeken!
Wat luurst du denn, Mariekeken!
Marie (tritt auf):
Wat röpst du denn? – Wat schriegst du denn?
Du büst woll nich so recht bi Trost?
Kuum dat ick man den Rüggen wenn,
Denn geiht ok gliek dien Schriegen los.
Christian:
Du leiwer Gott, wo sall dit waren?
Ick sitt nu in 'ne schöne Supp!
Ick war noch heil un deil tau'n Nahren!
Wo kümmt denn uns' Madam doaup?
Velangt, ick sall en Stück upführen
Un sall hüt Abend deklinieren
En Stück so zort, en Stück so säut,
En Stück, so wohr ick Krischan heit,
Dat rohren möt ein jeremann,
Dat sich en Hund erbarmen kann.
Marie:
Na, weitst du't denn? Fang doch mal an.
Christian:
Ih, wo weit ick't; ick bliew jo ümme steken.
Marie:
Ih, 't is jo nicks, du bruukst jo man tau spreken,
Dei Ogen bäten tau vekiehren
Un mit dei Arm herüm handtieren.
Christian:
Na, denn man tau, denn paß mal up!
Un wenn ick hacken bliew, denn giw mi'n lütten Schubb.
Marie:
Na, ierst giw dat Gedicht mi man,
Dat ick dien Lex vehüren kann.
Christian (sucht in allen Taschen und bringt nacheinander
die angeführten Gegenstände zum Vorschein):
Hier is dat nich. Dit is 'ne Hand vull Tunne.
Mang desen Kram is't ok nich unne.
Dit sünd drei schöne, niege Liere,
Gedrückt in desen Joah.
Dit is 'ne Reknung von den Schniere,
Dei up den Harst ick em betahl.
Dit's't ok nich, dit's mien Füastahl,
En Tobacksbüdel un 'ne Tunnebüs.
Na täuw, in dese is't gewiß.
Nee! Hier is't ok nich. – Täuw, nu fällt mi in,
Dat wad woll in den Stäwel sin.
Na, sähr ick't nich? – Hier is't; ick hew't,
Un nu kann losgahn dat Geschäft.
Marie (liest):
Hier sitzt das holde Paar
Auf diesen beiden Stühlen,
Das ich als Kutscher fahr
Mit innigen Gefühlen.
Wer hett dat maakt? Wo hest dat her?
Christian:
Ih, wer hett't maakt? Wat's dat vör Frag?
Un kümmt't di denn so prächtig vör? –
Na, daß ich's dich's denn doch man sag',
Ich sülwsten habe das gemacht,
Un hab's mich's sülwsten ausgedacht,
Un Zeit hab ich da naug dazu.
Marie:
Du Klas! Je, du un maaken! Du!
Wist du kein richtig Rehr hier führen,
Denn dauh'ck dien Lex di nich vehüren.
Meinst du, ick sall dien Lägen glöben?
Christian:
I wo! Ick hew in'n Spaß man spraken,
Uns' Schaulmeiste dehr dat Ding mi maaken;
Acht Gröschen müßt'ck em doavör geben.
Marie (liest weiter):
Ich sitze auf dem Bock
Mit roter Litz und Kragen,
In meinem Kutscherrock;
Sie sitzen in dem Wagen.
Er wird denn ganz verliebt
In ihre Augen blicken,
Und ich kann ungetrübt
Auf meinem Bocke nicken.
Sie sagt zu ihm: »Mein Herz!«
»Oh, N. N.!« spricht er, »Liebe!«
Ich seh' nicht hinterwärts
Und stör' nicht ihre Triebe.
So werd' ich beide nun
Durchs Erdenleben fahren;
Was sie dort hinten tun,
Brauch' ich nicht zu gewahren.
Ich fahr' sie still und fromm
Durch alle Schicksalsschläge;
Wohin ich immer komm,
Da find' ich meine Wege.
Nu fang mal an.
Christian:
Ja! – Wenn ick kann.
Marie:
Na: Hier...
Christian:
Hier...
Marie:
Hier sitzt...
Christian:
Hier sitzt...
Marie:
Du weitst jo nicks!
Christian:
So geiht dat noch nich los! Dat is en schweres Wesen.
Du möst den ganzen Vers ierst lesen.
Marie (liest):
Hier sitzt das holde Paar
Auf diesen beiden Stühlen,
Das ich als Kutscher fahr
Mit innigen Gefühlen.
Christian (nachsprechend):
Hier sitzt das holde Paar
Mit innigen Gefühlen,
Das ich als Kutscher fahr
Auf diesen beiden Stühlen.
Marie:
Ich sitze auf dem Bock
Mit roter Litz und Kragen,
In meinem Kutscherrock;
Sie sitzen in dem Wagen.
Christian:
Sie sitzen auf dem Bock
Mit roter Litz und Kragen,
In meinem Kutscherrock;
Ich sitze in dem Wagen.
Marie:
Dat is jo dei vekiehrte Welt!
Christian:
Ih wat! Ick hew't man'n bäten anners stellt.
Marie:
Er wird dann ganz verliebt
In ihre Augen blicken,
Und ich kann ungetrübt
Auf meinem Bocke nicken.
Christian:
Er wird denn ganz verliebt
Auf meinem Bocke nicken,
Und ich kann ungetrübt
In ihre Augen blicken.
Marie:
Seggst du dat so tau'm Brüjam un dei Brut,
Sei krieg'n die bi'n Kragen un schmieten di herut.
Christian:
Na, laat man sin! Ick hew mi man vebistert.
Marie:
Sie sagt zu ihm: »Mein Herz!«
»Oh, N. N.!« spricht er, »Liebe!«
Ich seh' nicht hinterwärts
Und stör' nicht ihre Triebe.
Christian:
Sie sagt zu mir: »Mein Herz!«
»Oh, N. N.!« sag ich, »Liebe!«
Er sieht nicht hinterwärts
Und stört nicht uns're Triebe.
Marie:
Dat geiht jo nich!
Christian:
Laat mi tau Weeg!
Marie:
Wenn du dat seggst, denn krigst du Schläg'.
(liest weiter):
So werd' ich beide nun
Durchs Erdenleben fahren,
Was sie dort hinten tun,
Brauch' ich nicht zu gewahren.
Christian:
Uns beide wird er nun
Durchs Erdenleben fahren,
Was wir dort hinten tun,
Braucht er nicht zu gewahren.
Marie:
Ich fahr sie still und fromm
Durch alle Schicksalsschläge,
Und wo ich immer komm,
Da find ich meine Wege.
Christian:
Ich fahr sie still und fromm
Durch alle Schicksalswege,
Und wo ich immer komm,
Da find' ich meine Schläge.
Marie:
Doa hest du recht! Du bruukst nich vähl tau sinn'n,
Dien Schläg' wast allentwegent finn'n.
För jeden Vers, för jeden Satz
Hürt di en rechten dücht'gen Raps,
Denn so'n Gedrähn un so'n Gequatsch...
Christian:
Je süh! Kannst du't denn bäte maaken?
Wenn ick ok nich ganz richtig spraaken,
So gift dat doch en schönen Sinn,
Mit den'n ick ganz taufrehren bün.
Marie:
Je, wenn'ck mien Saak nich bäte künn,
Denn würr'ck mi ganz verfluchten schämen,
So woah ick noch en ihrlich Mäten bün.
Du kannst mal mienen Zettel nehmen
Un mi mien Lex ok mal vehüren.
Nu will ick't ok einmal probieren!
(Gibt ihm den Zettel und deklamiert natürlich
und gefühlvoll.)
Noch weilet ihr in Mitte eurer Lieben;
Wie lange währt's, dann gibt's ein herbes Scheiden,
Und denn ist uns von euch, ihr Lieben beiden,
Nur der Erinn'rung Schatten übrig blieben.
Ihr zieht dahin zu neuen, fernen Orten,
Ihr schüttelt hier den Staub von euren Füßen,
Und fremd empfängt man euch mit fremden Grüßen,
Ein fremdes Haus eröffnet euch die Pforten.
Wie lange währt's, denn habt ihr uns verloren.
Verloren? Nein! – Wie glücklich euer Leben,
Wie hoch die Freuden, die euch hold umschweben,
Ihr denket an das Haus, das euch geboren.
Ihr denkt an uns, die bald mit heißen Tränen
Aus uns'rer Liebe Armen euch entlassen,
Die euch zuletzt noch einmal treu umfassen,
Ihr denkt an uns zurück mit stillem Sehnen.
Doch zaget nicht, wie wir auch nicht verzagen!
Die neue Heimat werdet dort ihr gründen,
Statt uns'rer Liebe werd't ihr eure finden,
Und durch sie werd't ihr Trennung leicht ertragen.
Ein neues Wirken wird euch kräftig regen,
Es folgt die Ruhe nach des Tages Mühen;
An eurem Herde wird der Frieden blühen
Und auf dem Felde winken goldner Segen.
Lebt wohl! Lebt wohl! Aus unsern frohen Händen
Wird euch der letzte Jugendscherz gespendet;
Des Lebens Jugendrausch hat nun geendet,
Zu ernstern Freuden müsset ihr euch wenden.
Lebt wohl! Lebt wohl! Die alten Sterne sinken;
Doch neue ziehn herauf am Himmelsbogen,
Und wenn auch diese einst vorüberzogen,
So soll ein heit'rer Abendstern euch winken.